Den Moment meistern: Der Aufstieg der Sportpsychologie
Von Drucksituationen bis hin zu lebenslangen Fähigkeiten: Die Sportpsychologin Babett Lobinger spricht über mentale Stärke, alte Vorurteile und warum deren Auswirkungen weit über den Sport hinausreichen.
29. November 2025
Mit 16 Jahren wurde sie von PUMA gesponsert und nahm an 400-Meter-Hürdenläufen in der Leichtathletik teil. Jahre später ist Dr. Babett Lobinger eine der führenden Sportpsychologinnen im deutschen Fußball. Jeder Bundesliga-Trainer, der im deutschen System ausgebildet wurde, hat von ihr gelernt, ebenso wie Generationen von Studenten der Deutschen Sporthochschule Köln. Vom Umgang mit Hochdrucksituationen bis hin zur Frage, warum es nie zu früh ist, anzufangen – entdecken Sie einen der faszinierendsten Aspekte der Welt eines Sportlers: die Sportpsychologie.
Rückblick auf den 16. September – Armand “Mondo” Duplantis steht allein da. Mitten im brodelnden Japan National Stadium. 53.000 Augen sind auf ihn gerichtet. Es ist sein dritter Versuch im Stabhochsprungfinale, bei dem er einen weiteren Weltrekord anstrebt. Der Druck ist enorm.
Auf die Frage, worauf sich ein Athlet wie Mondo in einem so wichtigen Moment verlassen kann, erklärt Dr. Lobinger.
Auf die Frage, worauf sich ein Athlet wie Mondo in einem so wichtigen Moment verlassen kann, erklärt Dr. Lobinger.
“In einer idealen Welt hat ein Athlet bereits für diese Art von Druck trainiert. Er hat das Gefühl des ‘letzten Versuchs’ einstudiert, sodass dieser Moment nichts Neues für ihn ist. Die Höhe bleibt dieselbe – egal, ob es sich um den ersten oder dritten Versuch handelt –, aber die Gedanken können einem im Weg stehen. Genau da wird es entscheidend.”.
Einer der wichtigsten Mechanismen dabei ist die Routine – von Atemtechniken über die Visualisierung des Anlaufs bis hin zum Selbstgespräch. “Diese Routinen helfen dabei, alles Unwichtige auszublenden – die Zuschauer, den Lärm, die Erwartungen – und den Athleten in seinem eigenen Rhythmus zu halten. Jeder Athlet hat seine persönlichen kleinen Tricks, die sehr unterschiedlich sind, Mondo hat wahrscheinlich seine eigenen. Oft sind das die streng gehüteten Geheimnisse der Athleten.”.
Zu lange wurden diese Situationen so beschrieben, dass man entweder Nerven hat oder nicht. Die Menschen waren überzeugt, dass es sich um etwas Feststehendes handelte. Diese Denkweise hat Babett Lobinger selbst auf sehr persönlicher Ebene erlebt: “Zu Beginn meiner Karriere musste ich mich fast immer dafür entschuldigen, Psychologin zu sein, und sagen: ‘Ich habe auch kein Sofa dabei’, und erst einmal erklären, was ich hinter all diesen Mythen eigentlich mache.”
Solche Missverständnisse bestehen seit Jahrzehnten, obwohl es die Sportpsychologie selbst schon viel länger gibt.
Zu lange wurden diese Situationen so beschrieben, dass man entweder Nerven hat oder nicht. Die Menschen waren überzeugt, dass es sich um etwas Feststehendes handelte. Diese Denkweise hat Babett Lobinger selbst auf sehr persönlicher Ebene erlebt: “Zu Beginn meiner Karriere musste ich mich fast immer dafür entschuldigen, Psychologin zu sein, und sagen: ‘Ich habe auch kein Sofa dabei’, und erst einmal erklären, was ich hinter all diesen Mythen eigentlich mache.”
Solche Missverständnisse bestehen seit Jahrzehnten, obwohl es die Sportpsychologie selbst schon viel länger gibt.
Die Wurzeln der Sportpsychologie
Die ersten Veröffentlichungen zur Sportpsychologie erschienen bereits in den 1900er und 1910er Jahren. Das Fachgebiet war eng mit körperlicher Leistungsfähigkeit verbunden und wurde von der zentralen Frage angetrieben, wie Menschen ihre besten Leistungen erzielen können. “Nicht nur im Sport, sondern auch in Berufen wie der Luftfahrt – Wissenschaftler erkannten schnell, dass unser Verstand, unsere Emotionen und Gefühle einen erheblichen Einfluss auf die Leistung haben –, was schließlich zur Entstehung des Fachgebiets Sportpsychologie führte”, sagt Lobinger.Da die USA, wie in der Wissenschaft üblich, in der Sportpsychologie Jahrzehnte voraus waren, war sie in den meisten anderen Teilen der Welt noch kaum bekannt. “Bei den Olympischen Spielen 1990 in Atlanta reiste das US-Team mit rund 30 Sportpsychologen an. Im deutschen Team war keiner zu sehen”, erinnert sich Lobinger.
Die Pioniere der deutschen Sportpsychologie waren Jahre später Dirk Nowitzki und Jürgen Klinsmann. Während die deutsche Basketballlegende Dirk Nowitzki psychologische Techniken Anfang der 2000er Jahre als völlig normal betrachtete, war Jürgen Klinsmann der erste Trainer einer deutschen Fußballnationalmannschaft, der einen Sportpsychologen zur Weltmeisterschaft 2006 mitbrachte. Mit den Grundlagen, die nicht nur in Deutschland, sondern weltweit gelegt wurden, hat die mentale Seite der Leistung endlich ihren Platz im Spitzensport gefunden. Und die Debatte verlagerte sich von der Frage nach der Notwendigkeit hin zu der Frage, wie – und in welchem Stadium – psychologische Fähigkeiten entwickelt werden sollten.
Armand "Mondo" Duplantis stellt einen neuen Weltrekord auf, indem er beim Stabhochsprungfinale der Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2025 in Tokio im dritten Versuch 6,30 Meter überspringt. Foto: Joel Marklund, ICON SPORT.
Warum psychologische Arbeit schon in jungen Jahren beginnt – und ein Leben lang andauert
Laut dem Experten gibt es kein Mindestalter, um mit dem Geist zu arbeiten. “Psychologische Fähigkeiten können überraschend früh vermittelt werden – sogar schon im Grundschulalter. Kinder können bereits lernen, ein Gefühl für Bewegungen zu entwickeln, mit Nervosität umzugehen und Teamarbeit zu entwickeln.” All dies kann dann auf spielerische, altersgerechte Weise vermittelt werden, beispielsweise durch Zeichnen oder einfache Spiele.Der Vorteil eines frühen Beginns besteht darin, dass das Risiko, Schaden anzurichten, minimal ist. “Meiner Meinung nach kann man kleine Kinder psychologisch nicht wirklich ‘übertrainieren’, wenn man es spielerisch angeht. Natürlich zeigen manche Methoden keine Ergebnisse, aber das bedeutet einfach, dass man eine andere ausprobieren muss.”
All dies unterstützt zwar die sportliche Entwicklung, doch oft noch wichtiger ist, dass diese Fähigkeiten auch im Alltag von Bedeutung sind. Die Sportpsychologie verwendet häufig das Bild eines kleinen Werkzeugkastens – ein sicherer Ort, auf den ein Sportler zurückgreifen kann, wenn es stressig wird. Und ob diese Werkzeuge vor einem entscheidenden Elfmeter, in einer Schulprüfung oder während einer hektischen Arbeitswoche zum Einsatz kommen, spielt keine Rolle. Es handelt sich um Fähigkeiten, die weit über den Sport hinausgehen.
“Und das ist das Schöne daran”, sagt Lobinger. “Was man im Sport lernt, sind Werkzeuge, die man sein ganzes Leben lang anwenden kann.”
Profitiert die Sportpsychologie von diesem Trend, da das Bewusstsein in der Gesellschaft wächst?
Psychische Gesundheit und Selbstfürsorge sind Themen geworden, über die die Menschen endlich offen sprechen wollen – nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch im Sport. Es handelt sich um einen kulturellen Wandel, der die Welt des Leistungssports zunehmend prägt. Vieles hat sich bereits verändert, doch im Spitzensport herrscht nach wie vor das alte Stigma, dass man alles alleine bewältigen muss.Wie Dr. Lobinger feststellt, ist die Sportwelt noch nicht dort, wo sie sein sollte, aber sie bewegt sich in die richtige Richtung.
“Glücklicherweise ist die heutige Generation von Sportlern – und die Gesellschaft im Allgemeinen – viel offener. Sie verstehen, dass die Psychologie eine wichtige Rolle spielt. Das ist ein großer Erfolg.”
CATch up spricht jetzt mehrere Sprachen
Damit wir so viele Menschen wie möglich erreichen und ihr in die PUMA Welt eintauchen könnt, bieten wir CATch up jetzt auf Englisch, Deutsch, Französisch und Spanisch an. Die Übersetzungen werden automatisch erstellt und können deswegen Fehler enthalten.